Schaffung neuer Ökosysteme

Schaffung neuer Ökosysteme

Interview mit Tomoho Umeda, Gründer von Hynfra

Tomoho Umeda ist wahrlich eine imposante Persönlichkeit. Der japanischstämmige Unternehmer zieht die Blicke auf sich, sobald er einen Raum betritt. Umeda ist der Gründer von Hynfra und Hynfra Energy Storage und fördert als strategischer Berater Wasserstofftechnologien sowie groß angelegte Lösungen für erneuerbare Energien. Er ist zudem Vorsitzender des Ausschusses für Wasserstofftechnologie bei der polnischen Handelskammer, Vorstandsmitglied der Vereinigung Hydrogen Poland und Mitglied von Hydrogen Europe sowie der European Clean Hydrogen Alliance.

HZwei: Herr Umeda, Sie sind Vorstandsvorsitzender eines der wichtigsten Unternehmen der Wasserstoffwirtschaft in Polen. Was motiviert Sie besonders in Hinblick auf die Entwicklung von Wasserstoff?

Umeda: Ich war vorher an der strategischen Beratung für zwei Branchen beteiligt: für die chemische Industrie und für die Energiewirtschaft – insbesondere für die japanische Energiewirtschaft. Im Jahr 2014 nahmen uns die Japaner mit in ein Werk, das Wasserstoff herstellt. Dort habe ich erkannt, dass ich mit meinem Wissen über die chemische Industrie und die Energiewirtschaft wirklich eine sehr gute Grundlage habe. Und seitdem beschäftige ich mich aktiv mit Wasserstoff. Ich habe einige der besten Leute, die ich in der Energie- und in der Chemieindustrie kennengelernt habe, eingeladen, sich zusammenzutun und dieses Unternehmen gemeinsam zu gründen. Denn Wasserstoff verbindet beide Bereiche sehr gut.

Wenn wir heute über Wasserstoff reden, sprechen wir eigentlich über das gesamte Spektrum, also auch über seine Derivate, einschließlich Ammoniak und Methanol. Was das Ammoniak betrifft, so verfügt Polen seit hundert Jahren über umfangreiche Erfahrungen in der Synthese von Ammoniak und im Umgang mit Wasserstoff. Die effektivsten Syntheseverfahren oder Optimierungen dieser Verfahren wurden ebenfalls in Polen durchgeführt. Damit ist Polen auf der Welt konkurrenzlos. Wenn wir uns heute das Chemieunternehmen Zakłady Azotowe Puławy anschauen, dann basieren deren Prozesse wesentlich auf dieser Technologie. Sie ist damit ein Schlüsselelement der Energieoptimierung in Polen.

Was den polnischen Markt sicherlich vom deutschen Markt unterscheidet, ist das Vorhandensein von Fernwärme und die Tatsache, dass unsere Wärme ein reguliertes Gut ist. Die Geschäftsparameter für solche Kraft-Wärme-Kopplungs- oder Polygenerationssysteme, die aus erneuerbaren Energien, Wasserstoff und Fernwärme bestehen, können dadurch sicherer vorhergesagt werden. Und das ist in der Tat die Richtung, in die wir weiter gehen wollen. In Polen wird dieser Wasserstoffmarkt ein fragmentierter Markt sein, denn die Fernwärme ist eine Grundlage für uns, um diese erneuerbaren Wasserstoffsysteme zu schaffen. Es sind mehr als 400 Städte, die mit Fernwärme ausgestattet sind.

Die gesamte postkommunistische Region verfügt über genau die gleiche Infrastruktur, denn sowohl in der Ukraine als auch in Russland, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn und im Norden, in den baltischen Ländern bis hin zu Finnland gibt es im Grunde die gleichen Systeme, auch weiter im Osten, der Mongolei und China. Es ist alles im Grunde sehr ähnlich. Ein ähnlicher Aufbau. Das ist eine großartige Basis für uns. Nicht nur für die Dekarbonisierung einer Stadt oder einer lokalen Regierungseinheit, sondern auch für die Schaffung neuer Ökosysteme auf der Grundlage dieser Netze.

Deutschland will nur grünen Wasserstoff nutzen. Die Projekte, die Sie durchführen, im polnischen Sanok oder dem ukrainischen Butscha, wo Sie ebenfalls aktiv sind, basieren ebenfalls auf grünem Wasserstoff. Würden Sie auch Wasserstoff verwenden, der mit anderen Energiequellen erzeugt wurde?

Wir setzen auf die erneuerbaren Energien, also entweder auf Wasserstoff aus Elektrolyse oder aus Biogas/Biomasse. Im Falle der Biomasse, die immer als erneuerbar gelten wird, schließen wir zumindest die Möglichkeit der Entwicklung von Projekten mit sogenanntem blauem Wasserstoff oder generell mit Systemen, die auf der Eliminierung von Kohlendioxid beruhen, nicht völlig aus. Fossile Brennstoffe hingegen werden wir nicht akzeptieren, weil wir glauben, dass diese EU-Verordnungen oder generell die Richtung, die wir weltweit in den Pariser Abkommen vereinbart haben, eindeutig ist. Ich verstehe ja jene Unternehmen, die versuchen, ihre bestehende Infrastruktur, ihre bestehenden Anlagen zu behalten und sie ein wenig zu modifizieren. Aber das ist das Problem dieser Unternehmen. Es ist nicht unser Problem. Wir sind nicht mit solchen Anlagen belastet und wir sind frei, um erneuerbare Energien zu nutzen.

Wenn ich aber an die Ukraine und Wasserstoff denke, kommt mir sofort die Kernkraft in den Sinn.

Die Kernenergie ist ein ganz anderes Thema, das sehr interessant ist. Ich denke, dass im Zusammenhang mit dem, was in letzter Zeit mit dem Überschuss an erneuerbaren Energien passiert ist, allmählich klar wird, warum Deutschland sich von der Kernenergie abgewendet hat. Denn wenn heute die Kernenergie im deutschen System immer noch einen bedeutenden Teil des sogenannten Sockels ausmachen würde, dann wäre eine Steigerung der Effizienz bei der Produktion aus erneuerbaren Quellen erschwert. Nun, es ist klar, dass die Kernenergie zwar sauber sein mag, aber systemisch gesehen ist sie einfach nicht sehr rational. Generell sehe ich diese Realität aber ein wenig anders, denn ich habe immer noch den Eindruck, dass wir ständig von Dekarbonisierung reden und dass wir uns irren, wenn wir nur über die Stromsysteme reden und nicht über den gesamten Energieverbrauch der Wirtschaft. Ich habe bis jetzt keine schlüssigen deutschen Ideen gesehen, wie man mit der Dekarbonisierung des gesamten Energieverbrauchs in der Wirtschaft umgehen will.

Ist der deutsche Markt für Ihr Unternehmen interessant? Versuchen Sie, dort Projekte vor Ort zu realisieren?

Wir haben darüber nachgedacht und sogar einige Versuche unternommen. Aber wir haben den Eindruck, nachdem wir verschiedene Vorstudien und Berechnungen durchgeführt haben, dass es paradoxerweise viel schwieriger ist, Wasserstoffprojekte auf dem deutschen Markt zu entwickeln als hier. Erstens ist dort schon ein hoher Sättigungsgrad mit erneuerbaren Energien vorhanden. Paradoxerweise würde ich jedoch sagen, dass es angesichts einer gewissen geografischen Ähnlichkeit für uns schwierig ist, die Modelle, die in Polen praktikabel sind und keine finanziellen Lücken aufweisen, auf Deutschland zu übertragen. Dort werden diese finanziellen Lücken, die bei diesen Projekten auftreten, mit Subventionen finanziert. Das wiederum führt zu einem neuen Wettbewerb, einem ungesunden Wettbewerb um Fördermittel. Wir führen unsere Projekte aber im Nullmodell durch, ohne Subventionen. Die Projekte müssen sich finanziell tragen. Deshalb haben wir uns aus dem deutschen Markt vorerst zurückgezogen.

Autorin: Aleksandra Fedorska

 

H2 aus Altholz und Bananenschalen

H2 aus Altholz und Bananenschalen

Biomasse – ein unterschätzter Lieferant für grünen Wasserstoff

Forscher wollen künftig Wasserstoff aus regionalen Holzabfällen gewinnen. Bioabfälle und Klärschlamm können helfen, grünen Wasserstoff für die Energie- und Verkehrswende zu produzieren. Werden Span- oder MDF-Platten verwendet, müssen sie zuvor von Klebstoffen befreit werden. Dann könnte der regenerative Energieträger aber von lokalen Betrieben und Energieversorgern genutzt werden. So hätte biogener Wasserstoff das Potenzial, den Energiebedarf von Industrie und Schwerverkehr regional zu decken – ein echter Joker für die Energiewende.

Eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft auf der Basis von Holz hätte viele Vorteile, beispielsweise in der Schwarzwaldregion: Hier ist Holz das wichtigste Wirtschaftsgut. Bei der Verarbeitung zu Möbeln und Baustoffen oder beim Abbruch von Gebäuden fallen beachtliche Mengen von Holzresten an. Eine Entsorgung kostet meist sogar noch Geld. Bisher werden Alt- und Restholz allenfalls durch Verbrennungsanlagen energetisch genutzt.

Schon seit dem Sommer 2021 schlägt die süddeutsche Region einen neuen Weg ein: Aus den Holzabfällen soll grüner Wasserstoff werden. „Nach dem Ansatz der Bioökonomie wollen wir mithilfe biotechnologischer Prozesse klimaneutralen Biowasserstoff sowie zusätzlich verwertbare Stoffe wie Carotinoide oder Proteine aus Altholz und Holzabfällen herstellen“, erläutert Ursula Schließmann. Sie arbeitet beim Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) und koordiniert das Verbundvorhaben H2Wood – BlackForest.

Durch die Verwendung von Altholz kann CO2 auf zwei Wegen eingespart werden: Zum einen ersetzt der regenerative Biowasserstoff bisherige fossile Energieträger, zum anderen werden Rest- und Altholz nicht nur Wasserstoff liefern. Durch den neuen biotechnologischen Ansatz wird die energetische Verwertung der Holzabfälle mit einer stofflichen Nutzung verknüpft. „Das aus dem Holz freigesetzte CO2 wird in Form von kohlenstoffbasierten Koppelprodukten gebunden“, erklärt Schließmann. „So wird es zurück in den natürlichen Kohlenstoffkreislauf geführt.“

Bislang existiert allerdings noch keine Anlage, die Biowasserstoff in größerem Maßstab herstellt. Am Fraunhofer IGB werden nun die dazu nötigen Prozesse vorbereitet und untersucht, bevor sie in der Pilotanlage am Campus Schwarzwald in Freudenstadt umgesetzt werden.

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert das Vorhaben im Schwarzwald bis Mitte 2024 mit rund 12 Mio. Euro. Partner des Projekts sind neben dem Fraunhofer IGB auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, das Institut für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Universität Stuttgart sowie der Campus Schwarzwald.

Klebstoffe und Lacke entfernen

Der erste Schritt und Voraussetzung für die biotechnologische Umwandlung ist eine Vorbehandlung. Denn Holzabfälle wie Span- oder MDF-Platten enthalten Klebstoffe wie Harze und Phenole oder auch Lacke. Diese chemischen Bestandteile müssten entfernt werden, denn nur so könnten Bakterien und Mikroalgen ihre Arbeit erledigen, erläutert die Forscherin. Zudem muss das Holz in seine Bausteine zerlegt werden, um die gewonnene Cellulose in einzelne Zuckermoleküle zu spalten, welche wiederum den H2-produzierenden Mikroorganismen als Futter dienen.

Für die biotechnologische Umwandlung der Holzzucker setzt das Fraunhofer IGB auf ein Fermentationsverfahren mit Bakterien, welche die Zuckerarten zu CO2, organischen Säuren und Ethanol verstoffwechseln. Die Stoffwechselprodukte der Bakterien stellen die Nahrung für die Mikroalgen dar. Diese synthetisieren daraus Carotinoide oder Proteine als Koppelprodukte und setzen dabei auch Wasserstoff frei.

Dass grüner Wasserstoff das Potenzial hat, den Energiebedarf von Industrie und Schwerverkehr regional zu decken, belegt die aktuelle Studie „Industrielle Wasserstoff-Hubs in Baden-Württemberg“ des Fraunhofer IPA. Ihr Fazit: Die dezentrale Wasserstofferzeugung und -nutzung zahlt sich aus, wenn man Verteilerzentren, neudeutsch Hubs genannt, strategisch richtig platziert und verbindet. Mit Ökostrom werden dann in diesen Hubs Elektrolyseure betrieben. Um Transportkosten gering zu halten, müssen die Zentren nahe bei den Verbrauchern stehen. Ein weiteres Kriterium: Die Industrie vor Ort muss einen Bedarf an Prozesswärme, Hochtemperaturprozessen und Wasserstoffgas, etwa für die Herstellung von Stickstoffdünger, haben.

„Ideale Standorte befinden sich in der Nähe stark befahrener Straßen mit Lkw-Betriebshöfen, an denen sich H2-Tankstellen einrichten lassen“, sagt Jürgen Henke vom Fraunhofer IPA. Mithilfe der Standortkriterien konnte das Forscherteam geeignete Orte in Baden-Württemberg identifizieren. Vor allem in der Metropolregion Rhein-Neckar und im Großraum Karlsruhe. Computersimulationen am Fraunhofer IPA zeigen, dass sich mit regional erzeugtem grünem Wasserstoff innerhalb von zehn Jahren 30 Prozent der fossilen Energie ersetzen lassen – und das nur auf landeseigenen Freiflächen.

Projekt: Wasserstoff aus Pflanzenresten

Neben Holz ist Bioabfall eine weitgehend ungenutzte Ressource. Rund 4,6 Mio. Tonnen haben die Deutschen im vergangenen Jahr laut Umweltbundesamt allein in ihren braunen Tonnen gesammelt. Hinzu kommen Abfälle aus öffentlichen Parks und Gärten, aus der Landwirtschaft und aus der Nahrungsmittelproduktion, außerdem Klärschlamm und Speisereste aus Kantinen – alles in allem gut 15 Mio. Tonnen.

Der Großteil landet in Kompostieranlagen oder wird verbrannt, um Wärme und Strom zu erzeugen. „Doch dafür ist der Bioabfall viel zu schade“, betont Johannes Full, Leiter der Gruppe nachhaltige Entwicklung biointelligenter Technologien am Fraunhofer IPA. „Sinnvoller wäre es, daraus Wasserstoff zu erzeugen und das dabei entstehende CO2 abzuscheiden, zu speichern oder langfristig zu nutzen.“

Wie das funktioniert, demonstriert das Fraunhofer IPA bei einem Unternehmen aus der Metallbranche. Dort können Abfälle von Obst- und Weinbauern aus der Umgebung, Kartonagen und Altholz sowie Kantinenabfälle in Wasserstoff umgewandelt werden. Dieser wird dann direkt in der Metallverarbeitung genutzt. Dafür werden die Obstreste und Kantinenabfälle zunächst mithilfe von Bakterien in dunklen Behältern fermentiert, wobei H2 und CO2 entstehen. Anschließend wird die fermentierte Masse in einer Biogasanlage zu Methan vergoren.

Blitzlicht zerlegt Bananenschalen

Auch an der TH Lausanne in der Schweiz wandelt ein Team um den Forscher Hubert Girault Biomasse in Wasserstoff – mittels Fotopyrolyse. In einem Reaktor befindet sich eine sogenannte Xenon-Blitzlampe, die energiereiches Licht emittiert. Das Team hat dabei mit Bananenschalen, abgenagten Maiskolben, Orangenschalen, der Haut von Kaffeebohnen und Kokosnussschalen experimentiert. Diese wurden zunächst 24 Stunden lang bei 105 °C getrocknet und dann gemahlen.

Das Pulver geben die Forscher bei Umgebungsdruck in einen Reaktor. Dann wirft die Xenon-Lampe die Blitze in die Biomasse, die sich so in Wasserstoff und Biokohle verwandelt. Der Prozess ist schon nach wenigen Millisekunden abgeschlossen. Aus jedem Kilogramm Biomasse werden rund 100 Liter Wasserstoff und 330 Gramm Biokohle gewonnen. Das entspricht etwa einem Drittel der ursprünglichen getrockneten Masse aus Bananenschalen.

Das junge Schweizer Unternehmen H2Valais will dieses Verfahren nun großtechnisch einsetzen. Die Fotopyrolyse konkurriert allerdings mit der hydrothermalen Vergasung von Biomasse, die Start-ups wie SCW Systems in den Niederlanden und TreaTech in der Schweiz einsetzen. Nasse Biomasse wird dabei einem Druck von 250 bis 350 bar und einer Temperatur von 400 bis 700 °C ausgesetzt. Innerhalb von einigen Stunden bilden sich unter diesen Bedingungen Methan und Wasserstoff. Das zeigt noch mal: Die Ansätze zur H2-Gewinnung aus Biomasse sind vielfältig. Dieses Potenzial sollte im Sinne der Energiewende bald erschlossen werden.

Mobiler Container wandelt Pellets zu reinem H2

Das Verbundvorhaben BiDroGen forciert ebenfalls das Ziel, Holz in Wasserstoff umzuwandeln. Die Firmen BtX Energy und A.H.T. Syngas Technology bekommen dafür vom Bundeswirtschaftsministerium eine Förderung von 630.800 Euro. Das Projekt zielt darauf ab, eine Containerlösung zur dezentralen Erzeugung von Wasserstoff aus pelletierten Holzreststoffen bis zur Marktreife zu entwickeln.

Containerlösung als schlüsselfertige Anlage zur Dampfreformierung von Biogas

Grundlage dafür ist die bereits bestehende Vergasertechnologie von BtX zur Abscheidung von reinem Wasserstoff aus Mischgasen. Ziel ist es demnach, den Wasserstoffgehalt des aus Pellets produzierten Holzgases durch innovative Katalysatoren zu maximieren, die Gasreinheit für die folgenden Prozesse zu garantieren und die H2-Abspaltung aus dem Produktgasstrom zu ermöglichen. So soll sehr reiner Wasserstoff aus pelletiertem Restholz gewonnen werden. Je nach Gasqualität kann aus 12 bis 15 kg Holz ein Kilogramm reiner Wasserstoff gewonnen werden. Das entspricht einem Wirkungsgrad von über 50 Prozent.

Die mobile Containerlösung soll dann dezentral grünen Wasserstoff zur Verfügung stellen. Für die Anwendung sieht die Firma vor allem im ländlichen Raum großes Potenzial. Für die Verkehrswende könnte das ein echter Joker werden: So könnten Kommunen beispielsweise sofort wasserstoffbetriebene Fahrzeuge anschaffen, obwohl es noch keine Wasserstofftankstelle in der Region gibt.

Grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung

Grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung

Reisebericht aus Indien von Sven Jösting

Am 18. und 19. April 2023 hat der Fachkongress „Green Hydrogen in India“ in Neu-Delhi stattgefunden. Aus diesem Anlass wurde ich zu einer Reise von Mumbai über Surat nach Neu-Delhi und dann via Ahmedabad zurück nach Mumbai eingeladen. Für den Weg wurden zahlreiche Meetings mit Topvertretern namhafter indischer Großunternehmen – oftmals in deren Firmenzentralen – eingeplant. Diese Firmen haben allesamt Wasserstoff als neues wachstumsstarkes Wirkungsfeld erkannt und verfügen bereits über große Mengen regenerativer Energie – vor allem Sonnenenergie – für die H2-Produktion. Ziel ist, den Wasserstoff in Form von grünem Ammoniak auf dem Schiffsweg zu exportieren.

Da gibt es eine Reihe von indischen Großunternehmen, die nicht nur bereits Solarenergie in einer Größenordnung von bis zu 5 GW installiert haben, sondern zusätzlich jeweils 1 GW Photovoltaikleistung jährlich generieren. Damit könnten rund 1 Million Tonnen grünes Ammoniak pro Jahr produziert werden – gewaltige Mengen und sehr ehrgeizige Pläne. Noch ist Indien Importeur von Ammoniak als Düngemittel, will dies aber in wenigen Jahren ändern und nicht nur Selbstversorger werden, sondern einen gewaltigen Exportmarkt für grünes Ammoniak und grünes Methanol erschließen. Die Planungsvorgaben liegen bei 70:30, das heißt 70 Prozent dieser Produktionsmengen für den Eigenverbrauch und 30 Prozent für den Export.

Präsident Modi adressiert das H2-Thema

Am Vorabend des Wasserstoffkongresses hält Präsident Narendra Modi im indischen Staatsfernsehen India News eine Rede über den Klimawandel. Er führt aus, was Indien zu tun gedenkt, um diesem Wandel mit zahlreichen Programmen und Maßnahmen zu begegnen. Jeder einzelne Inder sei aufgerufen, vernünftig mit der Umwelt und den Ressourcen umzugehen.

Indien hat im Januar dieses Jahres ein umfassendes H2-Programm auf den Weg gebracht. Solarenergie und Windkraft wird dabei eine besondere Bedeutung als Grundlage für die Produktion von Wasserstoff beigemessen. Grünes Ammoniak und auch grünes Methanol werden eindeutig als der Weg gesehen, Wasserstoff international nachhaltig transportierbar zu machen und für Indien als Exportgut zu entwickeln. Da Indien jedoch selbst großen Appetit auf nachhaltig erzeugte Energie hat, um den Import von fossilen Energieträgern zu reduzieren und nach Möglichkeit zu ersetzen, wird die Exportquote prozentual kleiner ausfallen als die im Land verbleibende H2-Menge.

Natürlich geht es neben dem Klimawandel auch um Energiesicherheit, und wie damit technologisch umzugehen ist. Dieser Fachkongress in Neu-Delhi konzentriert sich ausschließlich auf Wasserstoff.

National Green Hydrogen Mission

Das erst im Januar lancierte Programm zum Themenkomplex Wasserstoff „National Green Hydrogen Mission“ ist allumfassend. Jeder Aspekt – von der Produktion bis hin zu den vielen Nutzungspotentialen – wird behandelt. Zusätzlich wird es viele Förderprogramme geben. Ein Beispiel: Die Einspeisung von Wasserstoff in die Gasnetze (blending) wird staatlich subventioniert, das heißt, der Staat übernimmt die Transportkosten in den Pipelines. Da das Gasnetz derzeit nicht voll ausgelastet ist, kann Wasserstoff perfekt eingesetzt werden. Bislang kann bis zu 18 Prozent Wasserstoff eingeleitet werden.

Green Hydrogen in India

Indien hat die Potentiale von grünem Wasserstoff vollends erkannt. Das asiatische Land arbeitet an sehr anspruchsvollen Plänen, wobei vor allem die Unternehmen die Umsetzung übernehmen sollen. Der weltgrößte Energiekonzern, die indische staatliche NTPC, spielt bei diesem Dekarbonisierungsprozess, der durch zahlreiche Einzelprojekte im ganzen Land vorangetrieben wird, ebenfalls eine wichtige Rolle.

Indien will und muss von Gas- und Ölimporten wegkommen und auch für Kohle Alternativen finden, um Energiesicherheit, aber auch das Thema der Dekarbonisierung anzugehen. Über 90 Mrd. US-$ gibt das Land bislang jährlich für den Einkauf von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas aus. 40 Prozent der Primärenergie wird importiert. Demgegenüber verfügt Indien über schier unendliche Potentiale, sehr kostengünstig erneuerbare Energien zu erzeugen – vor allem via Sonnenkraft und zunehmend auch via Windenergie – hier zukünftig vor allem offshore. Indien sieht sich selbst in der Rolle eines H2-Frontrunners, da regenerative Energie via Sonnenkraft vor Ort im weltweiten Vergleich sehr günstig produziert werden kann.

Man spürt eine wahre Aufbruchstimmung und den Willen, die Grundlagen für die Wasserstoffproduktion in großem Stil zu legen. Für Projekte rund um die Erzeugung regenerativer Energien wird es zügige und schnelle Genehmigungsverfahren geben. Man spricht von Wochen oder wenigen Monaten statt wie bei uns in Deutschland von Jahren. Viele Flächen eignen sich perfekt, da es sich um sogenanntes Wasteland handelt, das heißt um Landflächen, die sich nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln oder für Viehzucht u. Ä. eignen.

Die Regierung und die zuständigen Ministerien arbeiten daran, den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft durch vereinfachte regulatorische Verfahren zu beschleunigen und zu unterstützen wie auch Fördermechanismen einzuführen. Regierungschef Modi fordert mit großem Druck, dass die Behörden zügig für die Umsetzung sorgen und konstruktiv die Wirtschaft unterstützen. Modi wird im positiven Sinne unterstellt, dass er mit seinem unternehmerischen Denken die richtigen Weichenstellungen vornimmt. Dafür sei er im Land bekannt, wie zu hören ist.

Grünes Ammoniak als Devisenbringer der Zukunft

Führt Indien bislang noch über 3 Mio. Tonnen Ammoniak – erdgasbasiertes – als Düngemittel ein, so kann das Land mittels der vielen vorhandenen erneuerbaren Energien und der darauf beruhenden zukünftigen Wasserstoffproduktion in den kommenden Jahren nicht nur Selbstversorger, sondern auch zum Exporteur von Ammoniak werden. Wir sprechen von 3 bis 5 Mio. Tonnen grünem Ammoniak pro Jahr bereits bis zum Jahr 2030, um so grünen Wasserstoff transportierbar zu machen. Eine Vielzahl von Projekten zum Bau von Ammoniakanlagen befindet sich bereits in der Planung und Umsetzung. Viele Projekte befinden sich in der Nähe von Häfen und sind somit logistisch perfekt aufgestellt.

Größte Unternehmensgruppen sind Vorreiter

Der Bedarf an grünem Wasserstoff ist gigantisch – vor allem in der chemischen Industrie, der Stahlerzeugung und anderen industriellen Einsatzgebieten. In der Mobilität wird ein Anteil von zehn Prozent gesehen, was unter anderem den Einsatz von Wasserstoff im Nutzfahrzeugverkehr, auf Schiffen und in der Eisenbahn angeht. Aber auch bei Pkw wird mittel- bis langfristig Bedarf für Wasserstoff gesehen, so der Tenor des zuständigen Topmanagers der Reliance Group, deren Großaktionär Ambani über 50 Mrd. US-$ in den Komplex Wasserstoff zu investieren plant.

Letztendlich geht es immer um die Dekarbonisierung. Überhaupt gehen Indiens Milliardäre in Sachen Wasserstoff voraus. So berichteten Topmanager von Reliance, Adani und anderen Unternehmen gegenüber HZwei von ihren Wasserstoffplänen. Tata beispielsweise hat bereits 2004 zusammen mit Rand Corp. einen Think-Tank zum Thema Wasserstoff initiiert. Außerdem unterhält die Tochter Tata Motors ein Joint Venture mit Cummins Engine, welches kürzlich um H2-Technik ergänzt wurde.

Indien will Elektrolyseurproduktion im eigenen Land

Einen Flaschenhals gibt es indes bei der Verfügbarkeit von Elektrolyseuren, die für die H2-Produktion benötigt werden. Dabei geht es nicht um die Energie, die der Elektrolyseur benötigt, sondern die Verfügbarkeit der notwendigen Mengen der Komponenten beziehungsweise deren Kapazitäten. Bei der gängigsten Variante, der alkalischen Elektrolyse, bestimmen noch chinesische Hersteller das Bild. Indien will da eine eigene Industrie auf die Beine stellen, das heißt ausländische Hersteller dafür gewinnen, deren Know-how durch den Aufbau von Produktionsstätten im Land zum Einsatz zu bringen und dies auch mittels staatlicher Programme zu fördern.

Marktführer in Sachen regenerative Energien wie Greenko haben deshalb Partnerschaften und Joint Ventures mit Unternehmen wie John Cockerill (Elektrolyseure) etabliert, um bei den sehr ehrgeizigen Unternehmenszielen, u. a. in der Nutzung von Wasserstoff für die Ammoniakproduktion, über die notwendigen Mengen an Elektrolysekapazität auch selbst verfügen zu können. Mit Uniper besteht bereits ein Abnahmevertrag, der sich auf zukünftige Produktionsmengen bezieht.

Für europäische, vor allem auch deutsche Unternehmen entwickeln sich hier sehr interessante Perspektiven, Wasserstoff zu kaufen, aber auch via Technologietransfer über Kooperationen und Joint Ventures in Indien mit Partnern eine Produktion (Brennstoffzelle, Elektrolyse, H2-Tanks und Zulieferteile) aufzubauen – nach der Devise: local for local.

Indien ist auf gutem Weg ins H2-Zeitalter

Indien hat das Potential der Eigenproduktion von Wasserstoff vollends erkannt und arbeitet an der Umsetzung. Sicherlich wird nicht alles von heute auf morgen realisierbar sein, da ein enormer Kapitaleinsatz erforderlich ist und die Projekte bestimmte Kriterien für ihre Finanzierung erfüllen müssen. Eine Reihe an persönlichen Gesprächen mit Topvertretern von Ministerien, Unternehmen und wichtigen Provinzen hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass sich Indien hier perfekt positioniert und ein weltweit führender Player werden wird.

Der steigende Energiebedarf wird vorerst noch von fossilen Energieträgern, aber step by step von regenerativen Energien und Wasserstoff gedeckt werden. Indien ist auf dem richtigen Weg. Bis zum Jahr 2047 will man energieautark und bis zum Jahr 2070 bei Net Zero im CO2-Ausstoß sein. Indien ist mit über 1,4 Mrd. Menschen seit wenigen Wochen der einwohnerstärkste Staat der Erde – vor China. Da sprechen wir von einem gewaltigen Energiehunger, der stark zunimmt – aber glücklicherweise mittel- bis langfristig regenerativ gestillt werden wird.

Ich konnte an diesem Kongress als Mitglied der Delegation der deutschen Beratungsinitiative Lili Navitas (der Name steht für grüne Energie) partizipieren. Der Unternehmenszweck: deutsche und indische Unternehmen in Sachen Wasserstoff und für dessen Produktion notwendige Technologien (u. a. Elektrolyse) zu verbinden und Kontakte mit dem Ziel gemeinsamer Projekte in Indien und Deutschland herzustellen. Initiator war Kiran Bhojani, selbst indischer Abstammung, der beruflich früher in Topposition bei E.ON in Deutschland gearbeitet hat. Er sieht es als seinen Auftrag an, Indien auf seinem Weg zu einer Wasserstoffgesellschaft zu begleiten und durch die Vermittlung von Kontakten und Unternehmensverbindungen zu unterstützen.

HyCentA wird zum COMET-K1-Kompetenzzentrum

HyCentA wird zum COMET-K1-Kompetenzzentrum

Österreich setzt auf H2-Spitzenforschung

Schon seit 2005 existiert Österreichs erstes und führendes Wasserstoffforschungszentrum HyCentA. Nach einem Aufstieg im COMET-Förderprogramm (Competence Centers for Excellent Technologies) setzt es seine Forschung am Campus der TU Graz nun als K1-Kompetenzzentrum fort.

Das HyCentA, Hydrogen Research Center Austria, an der TU Graz ist Österreichs führendes Forschungszentrum für Wasserstofftechnologien. Seit der Gründung im Jahr 2005 ist HyCentA darauf spezialisiert, neuartige technologische Lösungen für Elektrolyse, H2-Speicherung und Brennstoffzellen zu entwickeln, Innovationen gemeinsam mit Partnern umzusetzen und Technologien von der Idee bis zur Marktreife zu begleiten.

Alexander Trattner, wissenschaftlicher Leiter des HyCentA, erklärt: „Wir wollen die nachhaltige Wasserstoffgesellschaft wesentlich voranbringen, denn wir sind überzeugt davon, dass grüner Wasserstoff Teil der Lösung für ein klimaneutrales Energiesystem sein muss. Die Genehmigung des COMET-K1-Zentrums ermöglicht uns die umfassende Erforschung der besonders zukunftsrelevanten Wasserstofftechnologien Elektrolyseure, Speichersysteme und Brennstoffzellen. Wir können uns damit auch verstärkt der gesamthaften Betrachtung von Wasserstoff in den Bereichen Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie widmen. Basierend auf der jahrzehntelangen Erfahrung in der Forschung und Entwicklung sowie Hunderten von erfolgreich durchgeführten Projekten ermöglicht das COMET-K1-Programm langfristig orientierte Forschung am HyCentA.“

COMET-Netzwerk
COMET baut Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft. Es ist das österreichische Flaggschiff-Programm von Wirtschaft und Wissenschaft zur Förderung von Spitzenforschung. Es fördert den Aufbau von Kompetenzzentren für exzellente Technologien – den COMET-Zentren.

Das etwa 80-köpfige Team des HyCentA arbeitet in vier Areas organisiert. Angestrebt wird eine Kostensenkung der Technologien, die Verringerung der Degradation und eine Erhöhung der Effizienz elektrochemischer Zellen. Zudem sollen die ideale Kombination der Schlüsseltechnologien und Optimierungspotenziale durch die Kopplung der Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Mobilität identifiziert werden. Letztendlich wird dadurch ein höherer Eigenversorgungsgrad mit erneuerbarer Energie, eine Steigerung der Resilienz des Energiesystems und die Standortsicherung durch die Schaffung heimischer Wertschöpfung angestrebt. Insgesamt forschen rund 40 führende nationale und internationale wissenschaftliche Partner und Unternehmen zusammen mit dem HyCentA im COMET-Programm an H2-Technologien.

Area 1: Elektrolyse und Power-to-X

Die Area 1 deckt alle Technologien ab, die der nachhaltigen und emissionsfreien Herstellung von Wasserstoff und Chemikalien zur Speicherung von Wasserstoff dienen. Die wichtigsten Technologien im Bereich der H2-Erzeugung mittels Elektrolyse sind die bereits ausgereifteren AEL und PEMEL, Anwendungen im mittleren Technology-readiness-level (AEMEL und SOEL) und vielversprechende Ansätze mit niedrigem TRL (PCCEL). Ergänzend werden Ansätze für die Wasserspaltung durch Solarenergie (Photoelektrolyse) und die elektrochemische Herstellung von Chemikalien wie Wasserstoffperoxid und Ammoniak erforscht.

Das Ziel besteht in der Weiterentwicklung der Technologien, beginnend bei den Materialien über Zelle und Stack bis hin zum System. Obwohl die allgemeinen Ziele – Erhöhung der Lebensdauer und der Effizienz sowie Senkung der Kosten – für alle Technologien gelten, unterscheiden sich die spezifischen Forschungsansätze. In Bezug auf Effizienzsteigerung sind Design und Betriebsstrategien zu optimieren. In Anbetracht der langen Lebensdauer von Elektrolyseuren wird ein Schwerpunkt auf beschleunigte Alterungstests gelegt. Im Hinblick auf die Fertigungsprozesse wird auf eine stärkere Automatisierung der Herstellungs- und Montageprozesse fokussiert.

Area 2: Green Energy and Industry

Die Area 2 konzentriert sich auf Schlüsseltechnologien, die für H2-Anwendungen im Energie- und Industriesektor unerlässlich sind. Es werden stationäre und transportable Speichertechnologien auf der Basis von gasförmigen Druckspeichern, Metallhydridspeichern und der flüssigen Speicherung betrachtet. Synergien aus dem Zusammenspiel von stationären und On-board-Anwendungen werden durch die Entwicklung eines intelligenten Zusammenspiels von Verteilungs- und Logistiksystemen mit stationären Infrastrukturen genutzt. Geforscht wird unter anderem auch an elektrochemischer Kompression und Aufreinigung sowie an der Verstromung mittels stationärer Brennstoffzellen. Neben der Effizienz der betrachteten Technologien stehen ebenso die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Anlagen im Mittelpunkt der Forschung.

Area 3: Green Mobility

Den Schwerpunkt der Area 3 bilden Arbeiten an BZ- und H2-Speichersystemen, insbesondere für die Mobilitätsanwendungen. Dazu gehören PEM- und neue AEM-Zellen, Stacks und Systeme sowie optimierte bestehende und alternative Speichersysteme. Die Forschungsarbeiten zielen auf die Generierung eines tieferen Verständnisses der Mechanismen von Brennstoffzellen und Speichersystemen ab, um die Probleme in Bezug auf Leistung, Degradation, Kosten und Industrialisierung zu verstehen und durch geeignete Gegenmaßnahmen zu lösen.

Relevante Ergebnisse für die Schnittstellendefinition auf Ebene der Fahrzeugintegration und der Betankungsinfrastruktur werden genutzt, um die bestmögliche Basis für zukünftige Entwicklungen zu schaffen. Wesentliche Erkenntnisse werden für eine optimierte Produktion und Fertigung genutzt, um eine schnelle Marktreife und Wirtschaftlichkeit zu erreichen.

Area 4: Circularity and System Optimization

In Area 4 werden lückenlose Tool-Chains entwickelt, um resiliente, sektorübergreifende Energiesysteme auf Basis von erneuerbarer Primärenergie sowie Wasserstoff zu untersuchen und zu optimieren. Mit diesen Simulationswerkzeugen können Betriebsstrategien für PtX-Anlagen entwickelt und Business Cases gestaltet werden.

Neuartige Test- und Messinstrumente für Brennstoffzellen und Elektrolyse sowie zugrundeliegende Mess- und Diagnosemethoden werden entwickelt, um Erkenntnisse über Degradationseffekte, Gesundheitszustand und vorausschauende Wartung zu gewinnen. Effiziente und kostengünstige Messwerkzeuge und -systeme werden für Anwendungen in der gesamten H2-Wertschöpfungskette umgesetzt, und ein umfassendes Wissen über die Eignung und Kompatibilität von Werkstoffen in Verbindung mit H2-Anwendungen wird aufgebaut.

Zur Gestaltung einer Kreislaufwirtschaft werden Analysen und Konzeptentwicklungen zu systemischen und ökonomischen Marktmodellen und Recyclingpotenzialen synoptisch übergeführt. Darüber hinaus werden zukünftige Potenziale von Prozessen und Technologien zum Recycling bewertet und im repräsentativen Small Scale evaluiert. Ein Ökobilanzmodell für Recyclingszenarien wird entwickelt, das neue und recycelte Materialien und Komponenten methodisch gegenüberstellt.

Testcenter für H2, BZ, Elektrolyseure

Testing ist integraler Bestandteil des Forschungsportfolios des HyCentA. In den Laboren und Prüfständen am HyCentA werden Performance, Sicherheit, Degradationsverhalten und Zuverlässigkeit im Realbetrieb mit Wasserstoff geprüft und getestet. Hierfür stehen eine Fülle von Prüfständen und Laboren zur Verfügung, die den hohen und maßgeschneiderten Anforderungen von etablierten Test- und Prüfroutinen genauso entsprechen wie spezialisierten Kundenanforderungen.

Die verschiedenen Tests, die auf den Prüfständen und in den Laboren durchgeführt werden können, umfassen beispielhaft Qualitätsuntersuchungen, Kalibrierdienstleistungen, Leistungs- und Effizienztests, Sicherheitstests, Lebensdauertests und Tests unter realen Umweltbedingungen. Das 1.200 m² große Testcenter umfasst unter anderem zwei Einzelzellen-Elektrolyseteststände, zwei Short-Stack-Elektrolyseteststände, einen Hochdruckprüfstand bis 1.000 bar mit Klimakammer, zwei Multifunktionsprüfstände, einen BZ-Kathodensubsystemprüfstand, einen BZ-Systemprüfstand bis 160 kW mit Klimakammer, ein Gasanalyselabor, ein analytisches und elektrochemisches Labor, einen elektrochemischen Kompressionsteststand, eine 350- und 700-bar-H2-Tankstelle, eine Testzelle für H2-Permeation und einen Autoklav zur H2-Materialkompatibilitätsbestimmmung von Proben.

TU Graz und HyCentA

Das HyCentA ist ein gemeinwohlorientiertes Forschungszentrum. Die Forschenden arbeiten in enger Kooperation mit der TU Graz schwerpunktmäßig in der industriellen Forschung in den Bereichen Elektrolyse, Brennstoffzelle und H2-Infrastrukturen. Gesellschafter des HyCentA sind neben der TU Graz (50 Prozent Anteile) auch die Forschungsgesellschaft für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik, Magna und die OMV. Finanziert wird das COMET-Kompetenzzentrum vom Bund – konkret vom Klimaschutzministerium (BMK) und dem Wirtschaftsministerium (BMAW) – und den Bundesländern Steiermark, Oberösterreich, Tirol und Wien. Für das professionelle Programm-Management ist seit mehr als 20 Jahren die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) verantwortlich.

Die TU Graz ist die traditionsreichste technisch-naturwissenschaftliche Forschungs- und Bildungsinstitution in Österreich. Seit mehr als 50 Jahren forscht die TU Graz erfolgreich in den Bereichen Elektrochemie und Wasserstoff. Heute ist der TU-Graz-Campus mit 160 Köpfen in der H2-Forschung und einer einzigartigen Labor- und Forschungsinfrastruktur in der europäischen Spitzengruppe. Die TU Graz deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette der erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft von Erzeugung über Speicherung und Verteilung bis zur Anwendung ab und ist ein One-Stop-Shop der Wasserstoff-Technologieforschung, beginnend bei den Grundlagen bis hin zu angewandten Technologien und systemischen Aspekten.

Gefahrenabwehr beim Umgang mit Wasserstoff

Gefahrenabwehr beim Umgang mit Wasserstoff

EU-Projekte zeigen Notwendigkeit neuer Sicherheitsvorkehrungen

Mit Spannung sind die Ergebnisse der EU-Projekte HyResponder und HyTunnel-CS erwartet worden. In diesen beiden Projekten haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Experten aus der Industrie, der Feuerwehr und von Forschungseinrichtungen mit Bränden und Unfällen bei Wasserstoffanwendungen beschäftigt. Nunmehr ist bei der International Fire Academy (IFA) nachzulesen: „Wasserstoff-Fahrzeuge in Tunneln – große Gefahr für Einsatzkräfte!“

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) hat die Bundesregierung einen Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung sowie die Weiterverwendung von Wasserstoff und damit für die entsprechenden Innovationen festgelegt. Wasserstoff kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten – als Kraftstoff für Autos, als Rohstoff für die Industrie oder als Brennstoff für Heizungen. Als vielseitiger Energieträger ist er in allen Sektoren einsetzbar und übernimmt somit eine Schlüsselfunktion in der Energiewende.

In Power-to-Gas-Anlagen wird grüner Wasserstoff CO2-neutral aus erneuerbaren Energien gewonnen, die sich so effektiv im Gasnetz speichern und transportieren lassen. Entsprechend euphorisch sind die Vertreter dieser Technologie.

Wasserstoff ist allerdings – hier genügt ein Blick in das Sicherheitsdatenblatt – ein extrem entzündbares Gas, das nunmehr immer häufiger und in größeren Mengen gelagert und transportiert wird. Damit sind die Feuerwehren und Behörden in Genehmigungsverfahren und zwangsläufig auch bei Einsätzen konfrontiert, wie nachfolgende Meldungs-Beispiele zeigen:

  • Lastwagen gerät an Wasserstofftankstelle in Brand
  • Zwei Schwerverletzte nach Wasserstofftank-Explosion
  • Wasserstofftankstelle explodiert
  • Schwierige Bergung – Unfall mit „Wasserstoff-Fahrzeug“

Herkömmliche Kraftstoffe wie Benzin und Diesel sind im Einsatzgeschehen der Feuerwehren bekannt. Bisher spielen alternative Kraftstoffe wie verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas – LNG) oder Wasserstoff dabei eine noch sehr untergeordnete Rolle. Daher sind die Erfahrungen von Einsatzkräften damit auch eher gering.

Nun hat die Energiewende an Fahrt aufgenommen. Bedingt durch den Ukraine-Konflikt steigt die Nachfrage nach LNG und Wasserstoff stark an. Dazu kommt, dass die Erdgasnetze zukünftig mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Zunächst mit einer Zumischung. Eine Vielzahl an technischen Regelungen und Forschungen ist dafür notwendig und wird derzeit schon in den Gremien abgestimmt und etabliert.

Das erfordert bei den Behörden und Einsatzorganisationen entsprechende Ressourcen für die Bearbeitung und für die Aus- und Fortbildung sowie für spezielle Einsatzmittel.

Wir beobachten, dass Wasserstoffanwendungen bereits etabliert sind, die Einsatzkräfte jedoch oft noch nicht über die entsprechenden Fähigkeiten zur Gefahrenabwehr verfügen.

EU-Projekte HyResponder und HyTunnel-CS

Im Rahmen des HyResponder-Projekts wurde in den letzten Jahren ein „European Emergency Response Guide“ entwickelt. Dieser wird gerade auf Länderebene präsentiert. In Deutschland fand die Veranstaltung dazu Ende Mai 2023 in Oldenburg statt, um die vorgeschlagenen Reaktionen auf „Wasserstoff im Einsatzfall“ in die Deutschen Fachkreise der Brandbekämpfung zu kommunizieren, in Österreich gab es die entsprechende Veranstaltung bereits im April.

Das wichtigste Ergebnis des europäischen Forschungsprojektes HyTunnel-CS, in dem die IFA die Perspektive der Feuerwehren vertrat, ist: „Gegen Rauch, Hitze und Stichflammen können sich Feuerwehr-Einsatzkräfte schützen, nicht aber gegen die Druckwelle von Explosionen von Wasserstofffahrzeugen in Tunneln. Deshalb gilt es, sicheren Abstand zu halten. Wie aber sollen dann Menschen gerettet und Brände wirksam bekämpft werden? Auf diese Frage gibt es noch keine befriedigende Antwort – obwohl immer mehr wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zugelassen werden. Deshalb müssen die Feuerwehren jetzt sofort an geeigneten Lösungen arbeiten.“

Neben den Empfehlungen aus den Forschungsprojekten gibt es national und international noch andere wichtige Einsatzhilfen, wie etwa die ISO 17840 als erste weltweite Norm für die Feuerwehren. Zu wissen, wie die Energie in einem Fahrzeug gespeichert wird, kann den Unterschied bedeuten zwischen einem erfolgreichen Einsatz und einer möglicherweise unerwarteten Explosion, einem Gasaustritt, einer Stichflamme oder einem tödlichen Stromschlag.

                    

Mehrere Hunderttausend Benutzer haben die Euro Rescue App heruntergeladen. Sie bietet Zugriff auf 1.400 Fahrzeugrettungsblätter in vier Sprachen. Der Internationale Feuerwehrverband (CTIF) forciert die Verbreitung und die Nutzung.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Einsatzkräfte den Fahrzeugtyp identifizieren können. Bei Bränden etwa in Tunneln oder Tiefgaragen ist das sehr schwer. Darauf zielt auch die erwähnte Aussage der IFA ab, denn die Einsatzkräfte gehen wie gewohnt vor und treffen dann plötzlich auf ein Brennstoffzellenfahrzeug. Selbst wenn das richtige Rettungsdatenblatt gefunden wird, sind die Informationen, etwa über notwendige Sicherheitsabstände für die Einsatzkräfte beim Brand des H2-Fahrzeuges, „ausbaufähig“.

Bei Bränden und Unfällen ist zu beachten, dass immer ein Szenario zu betrachten ist. Dazu zählt zwingend die Umgebung der Einsatzstelle, die bei den Einsatzplanungen mitzuberücksichtigen ist. Der Brennstoffzellenbus brennt beispielsweise nachts in der Garage, weil er neben einem brennenden anderen Fahrzeug steht. Der H2-Bus ist dabei nicht die Ursache, aber er verschärft das Szenario wesentlich. Es sind zwei grundlegende Bereiche zu betrachten: Die Wasserstoffanlage (H2-Bus, H2-Pkw) ist selbst die Ursache, oder – das ist wahrscheinlicher – die Wasserstoffanlage wird durch ein externes Ereignis betroffen. Im Genehmigungsverfahren müssen beide Varianten betrachtet werden.

Künstliche Intelligenz hat großes Potential

Auf der anderen Seite stehen durch neue Anwendungen der Digitalisierung, insbesondere durch die künstliche Intelligenz (KI), künftig Möglichkeiten rascher Informationsbeschaffung zur Verfügung, um die Gefahrenabwehr zu unterstützen. Viel kritisiert ist die lange Bearbeitungszeit bei den Behörden für ein Genehmigungsverfahren. Hier verspricht die Politik eine wesentliche Beschleunigung. Gerade hier kann mit KI viel Zeit gespart werden.

Insbesondere kann die Feuerwehr mit einem geeigneten KI-Modul die eingereichten Unterlagen schnell analysieren und die Plausibilität prüfen. Für Einsätze in Explosionsbereichen können Roboter und Drohnen – mit KI – entscheidende Vorteile bringen. So kann ein Roboter beispielsweise eine Tiefgarage einscannen. Insbesondere können Brennstoffzellenfahrzeuge in Tiefgaragen und Tunnelanlagen ohne Gefährdung des Einsatzpersonals identifiziert werden.

Ein Lösungsansatz wäre es, Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen mit einem Chip auszustatten, damit der Roboter oder die Drohne Fahrzeuge rascher identifizieren kann. Mit Messtechnik am Roboter könnte man auch den Austritt von Wasserstoff detektieren.

Explosionslagen können in der Realität nicht geübt werden, daher bieten sich für das Training Virtual Reality (VR) beziehungsweise Augmented Reality (AR) an. Wie Abbildung 3 zeigt, kann man bereits mit herkömmlichen, kostenfrei zugänglichen Programmen ein brauchbares Einsatzleiter-Training realisieren.

Gratwanderung

Wenn die Feuerwehr eine Aus- und Fortbildung sowie spezielle Einsatzmittel benötigt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die H2-Technik fehlerhaft oder anfällig wäre. Es sind die neuen Szenarien (Massenunfall im Tunnel mit beteiligten H2-Lkw oder -Bussen), die das Risiko für die Einsatzkräfte wesentlich erhöhen.

Das alles ist in der Umsetzung „politisch brisant“, denn eigentlich sollte es bei Wasserstoff ja möglichst keine Probleme geben. Finanzielle Mittel für die Gefahrenabwehr sind „eher nicht“ vorgesehen. Die Einsatzorganisationen sind zunehmend mit einer Vielzahl an neuen Technologien und Energieträgern konfrontiert. Während der Umstellungsphase sind viele verschiedene Energieträger parallel in Anwendung. Für die Mitarbeiter im vorbeugenden Brand- und Gefahrenschutz sowie in der Einsatzplanung bedeutet das zurzeit häufig noch Neuland und „Learning by doing“. Der Arbeitsschutz ist dabei nicht nur für die H2-Tankstellenmitarbeiter und für die Fahrer der Tankwagen sicherzustellen, sondern auch im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung für die Einsatzkräfte.

Wie viel Fortbildung wollen wir unseren Feuerwehrangehörigen zukommen lassen? Derzeit gibt es noch keine speziellen Übungsanlagen in Deutschland. Die deutsche Innenministerin warnt vor „Anschlägen“ auf die Energieinfrastruktur, und auch gewalttätige Aktionen von Aktivisten sind zu berücksichtigen. Da ist nun die Einsatzplanung der Feuerwehr gefordert. Alternative Energien sind „eng“ damit verzahnt: Für die Gefahrenabwehr ist es sinnvoll, Synergieeffekte zu nutzen, beispielsweise sollten die Themen LNG und CNG bei den Wasserstofffortbildungen gleich mit eingebaut werden.

Literatur

  • mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/zwickau/brand-tankstelle-lkw-zapfsaeule-meerane-100.html
  • kleinezeitung.at/oesterreich/5779092/Niederoesterreich_Zwei-Schwerverletzte-nach-WasserstofftankExplosion
  • heise.de/autos/artikel/Wasserstofftankstelle-in-Norwegen-explodiert-4445144.html
  • noen.at/moedling/schwierige-bergung-unfall-mit-wasserstoff-fahrzeug-gumpoldskirchen-wasserstoff-bergung-133570154
  • ifa-swiss.ch/magazin/detail/wasserstoff-fahrzeuge-in-tunneln-grosse-gefahr-fuer-einsatzkraefte
  • ISO 17840: Die erste weltweite Norm für Feuerwehren | CTIF – International Association of Fire Services for Safer Citizens through Skilled Firefighters
  • Petter, F.: First on site: Decision-making training for incident commanders in vehicle fires, interne Studie, unveröffentlicht
  • 000 Nutzer haben die Euro Rescue App heruntergeladen – Zugriff auf 1.400 Fahrzeugrettungsblätter in 4 Sprachen | CTIF – Internationaler Verband der Feuerwehren für sicherere Bürger durch qualifizierte Feuerwehrleute