Neues Brennstoffzellen-Kompendium

Neues Brennstoffzellen-Kompendium

Der Elsevier-Verlag ist bekannt für hochwissenschaftliche Veröffentlichungen. Bereits vor zwei Jahren haben es die Briten in Angriff genommen, ihr legendäres Brennstoffzellen-Kompendium „Encyclopedia of Electrochemical Power Sources“ neu herauszubringen. Nach der Erstauflage im Jahr 2009 wird dieser englischsprachige „Schinken“ nun in einer zweiten Auflage im Laufe dieses Jahres erscheinen.

Herausgeber ist wieder Prof. Jürgen Garche von der Universität Ulm, der gemeinsam mit zahlreichen Expertinnen und Experten sehr detailliert alle Aspekte der immer größer werdenden Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie aus wissenschaftlicher Sicht darlegt. Für die insgesamt sieben Kapitel konnte er erfahrene Fachleute gewinnen – aus Deutschland unter anderem Prof. Angelika Heinzel von der Universität Duisburg-Essen, Ludwig Jörissen vom Zentrum für Solarenergie und Wasserstoffforschung (ZSW) sowie Dr. Johannes Töpler, Dresden International University (DIU).

Die Enzyklopädie gilt als wichtiges interdisziplinäres Nachschlagewerk für alle diejenigen, die mit Batterien, Brennstoffzellen, Elektrolyseuren, Superkondensatoren und photoelektrochemischen Zellen arbeiten. Ein Fokus liegt dabei auf den ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen elektrochemischer Energiequellen, so dass sie hervorragend als Quelle für Fachleute und Studierende geeignet ist – insbesondere aus den Bereichen Elektrochemie und Materialwissenschaften sowie Elektrotechnik, Maschinenbau und Chemie.

Diese vollständig überarbeitete zweite Auflage trägt insbesondere den Fortschritten im Bereich der Batterie- und Wasserstofftechnik in den letzten zehn Jahren Rechnung. Allerdings kosten diese vielen Informationen auch eine Kleinigkeit – nämlich 4.094 US-$ das Bundle aus Hardcover-Buch und eBook.

Garche, Jürgen; Encyclopedia of Electrochemical Power Sources, Elsevier, ISBN 978-0-323-95822-6

H2Tanktainer zur Schiffsbetankung

H2Tanktainer zur Schiffsbetankung

RH2INE – Aufbau eines wasserstoffbetriebenen Binnenschiffnetzes

Wer im internationalen Schiffsverkehr unterwegs ist, weiß: Ohne den richtigen Kurs zu setzen und zu halten, sind Ziele kaum erreichbar. Diese Erkenntnis treibt auch Binnenschifffahrtsakteure diesseits und jenseits der deutsch-holländischen Grenze an und motiviert sie, das Ziel der Klimaneutralität aktiv und entschlossen voranzutreiben. Bei dieser komplexen Herausforderung unterstützt sie die länderübergreifende Initiative RH₂INE (Rhine Hydrogen Integration Network of Excellence). Zu den ersten Etappenzielen gehört der Aufbau einer schnellen und unkomplizierten Lösung zur Betankung der Binnenschiffe mit Wasserstoff.

RH₂INE startete 2019 auf Initiative der Provinz Zuid-Holland (PZH) und des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums und wird seit 2021 auf deutscher Seite durch die Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate koordiniert. Das Ziel der beiden Rhein-Regionen: eine nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffen für den Gütertransport auf dem Rhein zu schaffen. Schnell waren sich alle Beteiligten einig, dass auf schnell fließenden Wasserwegen wie dem Rhein einzig und allein Wasserstoff als zukunftsfähiger Energieträger für Binnenschiffe infrage kommt.

Mittlerweile hat sich RH₂INE zu einem internationalen Netzwerk aus öffentlichen und privaten Akteuren entwickelt. Ausgehend vom Nukleus entlang des Rheins wollen die Partner gemeinsam bis 2030 einen emissionsfreien Nordsee-Rhein-Mittelmeer-Korridor schaffen. Voraussetzung dafür sind geeignete Rahmenbedingungen und Infrastrukturen für den Einsatz von Wasserstoff in der Binnentransportkette.

Schlauchbetankung keine Lösung

„Ein Schiff muss bei einem Bunkervorgang, also der Energieaufnahme, mindestens zwei Tonnen Wasserstoff tanken. Mit einem Schlauch würde das zwölf Stunden oder länger dauern, und in dieser Zeit könnte aus Sicherheitsgründen nicht geladen oder gelöscht werden”, erläuterte Robert Graf-Potthoff, technischer Inspektor beim globalen Logistikdienstleister Rhenus Schiffsmanagement, kürzlich im RH2INE magazine.

H2-Betankung als zentrale Herausforderung Eine der wesentlichen Herausforderungen besteht darin, die Schiffe mit Wasserstoff zu betanken. Für die Schiffsbetreiber war deshalb von Anfang an klar: Der Wasserstoff muss in Wechselbehältern aufs Binnenschiff kommen. Denn der Austausch leerer gegen volle Tanks dauert im Hafen nur etwa dreißig Minuten und unterbricht dabei nicht die parallel stattfindenden Abläufe an Bord.

Eine Lösung fand sich in einem standardisierten Wechselbehälter für Wasserstoff – einem sogenannten Multiple-Element Gas Container (MEGC), auch „TankTainer“ genannt. Verschiedene Akteure wie Air Liquide oder Argo Anleg entwickeln verschiedene Formate für die unterschiedlichen Schiffstypen.

Standardisierung der Energieversorgung Bisher waren TankTainer nur als individuelle Komponente für ein einzelnes Schiff zulassungsfähig. Das machte ein Pooling unmöglich. Denn jedes Schiff bräuchte – unter immensen Investitionskosten – jeweils drei TankTainer-Sätze, um den kontinuierlichen Tankprozess zu gewährleisten.

Um Abhilfe zu schaffen, treiben verschiedene europäische Regierungsbehörden zusammen die Standardisierung dieser Technologie voran. Ihr Ziel: Die TankTainer sollen nicht nur europaweiter Standard für die Binnenschifffahrt werden, sondern auch für weitere Zwecke als Energiespeicher nutzbar sein. Dazu fassen sie die technischen Vorgaben bewusst breit. Schützenhilfe erhalten sie von RH₂INE-Partnern wie dem Port of Rotterdam, Air Liquide oder Argo Anleg. Mit einer Veröffentlichung des Standards ist im ersten Halbjahr 2025 zu rechnen.

Standardisierung der H2TankTainer bei CESNI / ES-TRIN
Druckstufen: max. 300, 500, 700 bar
Container: ISO 10”, 20”, 30” und 40”
Transportmöglichkeiten: Schiff, Lkw, Zug (Verordnungen: ADN, ADR, RID, Es-Trin, IMO)
Datenkommunikation: in jedem Abschnitt Druck, Temperatur, Auslegungsdruck
Kommunikationsprotokoll: J2799

Weitere RH₂INE-Pilotprojekte Neben der Einführung der H2TankTainer konnte RH₂INE weitere bemerkenswerte Erfolge in der Binnenschifffahrt erzielen. So wurden im Rahmen der Initiative sowohl Schiffe mit H2-fähigen Dualverbrennungsmotoren als auch mit Wasserstoff-/ Brennstoffzellenantrieb entwickelt. Das „Flaggschiff“ dieser Entwicklung ist die MS Letitia, ein Binnenschiff der HTS-Group, das unter intensiver Begleitung durch das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) in Duisburg konzipiert wurde.

Verschiedene Förderungen ermöglichten die Finanzierung der Brennstoffzellen, eines ersten Satzes von TankTainern sowie einer EU-Begleitforschung (greenH2shipping). Letztere soll für die ersten 1.000 Betriebsstunden einen Zuverlässigkeits- und Wirtschaftlichkeitsnachweis erbringen. Dieser ist die Voraussetzung dafür, dass bei zukünftigen Förderaufrufen weitere Mittel für emissionsarme Binnenschiffe und deren Infrastruktur akquiriert werden können.

Zu den RH₂INE-Pionierprojekten zählt auch der Schüttgutfrachter MS Antonie, der unter der Leitung des europaweit tätigen Befrachters NPRC entwickelt wurde. Mit einem hybriden Antriebssystem kann er sowohl emissionsfrei als auch mit konventionellen Energiequellen betrieben werden. Dies erhöht die Flexibilität bei der Energieversorgung.

Auch die niederländische Reederei Future Proof Shipping (FPS) entwickelte zwei Schiffe, die H2-Barge 1 und 2. Bei ihnen wird die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie mit Batteriesystemen kombiniert, um eine vollständig emissionsfreie Fahrt zu ermöglichen. Bisher wurden mit den beiden Schiffen bereits etwa 20.000 Container von Delfzijl nach Rotterdam transportiert.

Rhenus Logistics setzt auf den Koppelverband „Mannheim I+II“, dessen Antrieb ebenfalls aus Brennstoffzellen, Batterien und bei Bedarf dieselelektrischen Generatoren besteht. Er wird regelmäßig Container zwischen Antwerpen bzw. Rotterdam und Mannheim, Ludwigshafen, Wörth sowie Karlsruhe transportieren. Wie die MS Letitia ist auch dieses Schiff mit bis zu drei Schubleichtern niedrigwasserangepasst.

MS Antonie
Größe: 135 x 11 m
Energieversorgung: 400 kW H2/FC / 1 MWh Batterie
Kapazität: 3.700 t Salztransport Delfzijl – Rotterdam (ersetzt 120 Lkw)
Einsparung: 880 t/a CO2 sowie 8 t/a NOx

Abb. 2: MS Antonie, Besuch des niederländischen Königs (Mitte) in Duisburg Ende 2023.
MS_ANTONIE_Foto_Robin Alysha Clemens.jpg, Quelle: Robin Alysha Clemens

H2-Barge 1+2
Größe: 110 x 11 m, retrofit
Energieversorgung: 3 x 275 kW Brennstoffzelle / 274 kWh Batterien
Route: Rotterdam – BCTN Terminal Meerhout (BE)
Einsparung: 2.000 t/a CO2 pro Schiff

Abb. 3: H2-Barge 2 FPS-H2BARGE2-Drone-HighRes-13.jpg Quelle: FutureProofShipping

MS Letitia
Größe: 135 x 17 m
Baujahr: 2023
Einsparung: 2.800 t/a CO2 (ersetzt 250 Lkw)
Route: Rotterdam – Duisburg dauert 20h und zurück 14h
Antriebsleistung: 1,2 MW (sechs 200-kW-Brennstoffzellen von Ballard in Containern), zusätzlich Batterien sowie Backup-Dieselelektrik mit gleicher Leistung
Im Schiff befinden sich 52 m Elektrikschaltschränke sowie 20 km Kabel.

Abb. 4: In der Mitte der MS Letitia sind mit zwei Trennwänden vier Containerflächen abgetrennt, auf denen insgesamt 16 Energiecontainer für die Brennstoffzellen, die Batterien und die Tankcontainer stehen können Letitia-2.jpg Quelle: RensenDriessen Shipbuilding, Photo Maritime Filming Group

Rhenus Mannheim I+II
Größe: Koppelverbund 193 x 11 m (mit drei Schubleichtern 193 x 22m)
Einsparung: Schiff und 1 Schubleichter: 72 % weniger CO2 und NOX
Route: Rotterdam/Antwerpen – Mannheim/Wörth
Antriebsleistung: 400 kW Brennstoffzellen, zusätzlich 840 kWh Batterien sowie Backup-Dieselelektrik

Erweiterung des Netzwerks Seit seiner Gründung hat RH₂INE eine beachtliche Entwicklung vom bilateralen Projekt zum breit aufgestellten EU-weiten Netzwerk vollzogen. Zu den Partnern gehören heute mehr als 45 Akteure aus öffentlicher Hand und Wirtschaft, darunter die bedeutenden Häfen Rotterdam, Duisburg, Basel und Antwerpen-Brügge. Neben den Niederlanden und Deutschland haben sich mittlerweile auch Akteure aus Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz der Initiative angeschlossen. Dies erweitert die Reichweite des Projektes erheblich.

Seit 2025 wird die Initiative vom belgischen Cluster WaterstofNet koordiniert. Dieses übernimmt das neu gegründete Programmbüro, dessen Arbeitsplan verschiedene englischsprachige Arbeitsgruppen vorsieht, die die unterschiedlichsten Themen wie Standardisierung, Finanzierungs- und Fördermechanismen, notwendige Hafeninfrastruktur sowie TankTainer-Logistik bearbeiten. WaterstofNet war schon einmal stark in diese Themen involviert, insbesondere durch die Mitarbeit in CONDOR, einem niederländischen Projekt im Zuge der Initiative RH₂INE mit Fokus auf niederländische Wasserwege. Diese Erfahrung prädestiniert das Cluster für seine Aufgaben als RH₂INE-Koordinator.

Finanzielle und politische Unterstützung für RH₂INE Seit 2019 kann die Initiative umfangreiche Fördermittel aus EU-Programmen wie Connecting Europe Facility (CEF) oder Horizon Europe sowie von nationalen und regionalen Regierungen akquirieren. Diese verwendet sie, um Forschung und Entwicklung, den Bau von Infrastruktur und die Umstellung auf Wasserstofftechnologien voranzutreiben und das Netzwerk auszubauen.

Auch bei der Unterstützung der Politik sowie bei der Harmonisierung von Leitlinien mit europäischen und regionalen Institutionen spielt RH₂INE eine entscheidende Rolle. So hat die Initiative in der Vergangenheit mit ihren Vorschlägen aktiv die schnellere Regulierung der Wasserstoffnutzung in der Binnenschifffahrt vorangetrieben. Auch auf die politischen Dekarbonisierungspläne für den Verkehrssektor, insbesondere in NRW und den Niederlanden, konnte sie Einfluss nehmen.

Der Erfolg der Dekarbonisierung der Binnenschifffahrt zeigt sich in der vom MUNV (Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen) initiierten gemeinsamen Absichtserklärung „Perspektive nachhaltige Rheinschifffahrt 2030“ von 80 Partnern aus Deutschland, Belgien, Schweiz und den Niederlanden auf der Länderkonferenz Rhein 2024. Darin wird die Rheinschifffahrt als unverzichtbar für eine nachhaltige Logistik eingestuft.

Darüber hinaus trägt auch der Beschluss der deutschen Verkehrsministerkonferenz vom Oktober 2024 die Handschrift der Initiative: Er betont die Binnenschifffahrt als Verkehrsträger der Zukunft für Deutschland. Neue Maßnahmen für eine leistungsfähige Binnenschifffahrt sollen in der Strategie „Neue Märkte für die Binnenschifffahrt“ gebündelt werden.

Die Nationale Hafenstrategie des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr trägt ebenfalls der Transformation der Binnenschifffahrt Rechnung. Demnach soll diese bundesweit harmonisiert als „landesweit bedeutsam“ eingeordnet und entsprechend in die Landesplanung übernommen werden, um Hafengebiete für eine hafenaffine Nutzung zu sichern.

Und schließlich adressiert auch der Nationale Aktionsplan klimafreundliche Schifffahrt (NAPS) – in Ergänzung zur Nationalen Hafenstrategie – die Binnenschifffahrt, und zwar mit Maßnahmen, die auch RH₂INE umsetzt. Dazu gehören unter anderem standardisierte containerisierte Energiespeicher. Daneben fordert der Aktionsplan auch eine Verlängerung des Förderprogramms BordstromTech sowie zinsvergünstigte KfW-Kredite oder Absicherungen mit Bürgschaften.

Herausforderungen der Dekarbonisierung Trotz all dieser Erfolge steht die Dekarbonisierung der Schifffahrt noch am Anfang: Aktuell fahren auf dem Rhein rund 10.000 Schiffe mit einer Lebenszeit von jeweils bis zu 100 Jahren. Diese gilt es zukünftig klimaneutral zu betreiben. Eine Herausforderung stellt dabei vor allem die Wirtschaftlichkeit des Wasserstoffbetriebs dar. Derzeit sind entsprechende Schiffe in Anschaffung und Betrieb teurer als herkömmliche Dieselschiffe. Die Rentabilität der neuen Technologie hängt gleich von mehreren Faktoren ab, zu denen Anschubsubventionen genauso gehören wie sinkende Wasserstoffpreise und die Bereitschaft der Kunden, höhere Transportkosten zu tragen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bedarf es durchdachter Geschäftsmodelle.

Auch die Harmonisierung von Vorschriften auf europäischer Ebene bleibt eine komplexe Aufgabe. Insbesondere bei Lagerung und Transport von Wasserstoff bestehen noch Unsicherheiten, die die Einführung bremsen. Die technologische Entwicklung muss ebenfalls mit den Herausforderungen Schritt halten. Aktuell ist der Zugang zu grünem Wasserstoff begrenzt, er weitet sich jedoch sukzessive aus.

Und nicht zuletzt erfordert der Aufbau einer umfassenden Betankungsinfrastruktur, zunächst entlang des Rheins, erhebliche Investitionen und eine gezielte Koordination. Insbesondere das Befüllen der TankTainer sollte aufgrund der benötigten Wasserstoffmengen an größeren Hubs erfolgen.

Pläne von RH₂INE Auf all diese Herausforderungen reagiert RH₂INE mit einer Reihe ambitionierter Pläne. Diese zielen auf eine breite Akzeptanz und Skalierung der Technologie sowie auf die Nachrüstung der bestehenden Flotte ab.

So wollen die Akteure bis 2030 mindestens 50 wasserstoffbetriebene Schiffe im Einsatz haben. In puncto TankTainer soll ein Pool für H2-Wechselcontainer geschaffen werden, der allen Reedereien und weiteren Akteuren offensteht. Den hohen Anschaffungskosten muss dabei eine maximale Nutzungszeit gegenübergestellt werden. Dazu wird voraussichtlich in Zukunft ein Leasingunternehmen gegründet oder beauftragt.

Auch neue Partner – Regionen und Stakeholder – will das Netzwerk weiter einbinden, um eine flächendeckende Infrastruktur und Zusammenarbeit zu gewährleisten. Durch die Stärkung seiner Lobbyarbeit wird sich RH₂INE künftig verstärkt für eine zukunftsweisende Regulierung und finanzielle Unterstützung auf EU-Ebene einsetzen. In den Niederlanden konnte die Initiative bereits eine starke finanzielle Verpflichtung der Regierung durch einen „Climatfonds” für erneuerbare Schiffsantriebe erreichen. Mehr als 200 Millionen Euro für bis zu 150 Schiffe und deren Infrastruktur stehen bis 2030 bereit.

Fazit Auch die Binnenschifffahrt muss zur Erreichung der Verkehrsklimaziele Europas dekarbonisiert werden. RH₂INE beweist eindrucksvoll, wie internationale Zusammenarbeit in Kombination mit technischen Innovationen den Übergang zu einer emissionsfreien Binnenschifffahrt ermöglichen kann. Und die Initiative ist mit ihrem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit, Innovation und Zusammenarbeit ein Vorbild für ähnliche Aktivitäten weltweit.

Die kommenden Jahre werden jedoch entscheidend sein: Kann die Anfangsvision von einem grünen Rheinkorridor als einem zentraleuropäischen Ansatz Wirklichkeit werden? Die Botschaft bleibt auf diesem Weg jedenfalls immer klar: Die Zukunft der Binnenschifffahrt liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Auf der Hannover Messe im NRW-Pavillon, Halle 13,
Autor: Stefan Garche, Wasserstoffleitstelle H2.NRW des Landes Nordrhein-Westfalen bei NRW.Energy4Climate, Düsseldorf
stefan.garche@energy4climate.nrw

Wasserstoff im ÖPNV: Perspektive der Unternehmen

Wasserstoff im ÖPNV: Perspektive der Unternehmen

Wie sehen ÖPNV-Unternehmen den Einsatz von Wasserstoff in ihrem Bereich? Das Spezialmaschinenbauunternehmen IMI hat hierzu 300 Fachleute aus Deutschland, Italien und dem Vereinigten Königreich befragen lassen.

Für seinen Fokus auf den ÖPNV nennt IMI drei Gründe. Erstens würden viele ÖPNV-Unternehmen bereits Wasserstoffflotten aufbauen, obwohl es noch keine zentrale Infrastruktur für Wasserstoff gibt. Zweitens ließen sich mit Wasserstoff Engpässe der Batterietechnologie wie Reichweite, Gewicht und Netzengpässe überwinden. Drittens würden die Kosten für dezentrale Elektrolyse nun beginnen zu fallen – wobei IMI einräumt, dass es hierzu wenige Daten gebe.

Die Befragung wurde vom Marktforschungsunternehmen Censuswide durchgeführt und fand im Juli 2024 statt. Es wurden 300 Entscheidungsträger aus ÖPNV-Unternehmen in einem halb-offenen Interviewformat befragt. Von den Befragten hatte ein Fünftel (21 %) bereits Wasserstofffahrzeuge in ihrem Betrieb, während 61 % planten, in den nächsten zwei Jahren in solche zu investieren.

Wasserstoff oder Batterie?

Interessant ist, dass die Antworten im Technologievergleich stark von der Frage abhängen. Von den Befragten zeigten sich 89 Prozent überzeugt, Wasserstoff sei ein effektives Mittel, um die Grenzen der Batterie-Technologien zu überwinden, 34 % davon halten Wasserstoff sogar für „sehr effektiv“ hierfür. Umgekehrt halten es aber auch m Schnitt 83 % der Befragten für machbar, den ÖPNV ohne Wasserstoff zu dekarbonisieren, in den UK sogar 89 %. Auf Nachfrage unterteilt sich auch diese Gruppe in 27 %, die eine Dekarbonisierung für „vollständig machbar“ halten und 56 % „teilweise machbar“ halten. Zusammengefasst kann man also sagen: Vieles geht mit Batterien – und wo das nicht geht, kann Wasserstoff häufig weiterhelfen.

Eine weitere Frage galt den Kriterien für den Kauf neuer Fahrzeuge. Die zur Auswahl stehenden Kriterien lagen eng beieinander. Vorn lag mit 85 % gleichauf: Kosten und technisches Wissen, an letzter Stelle mit 79 % die Reichweite der Fahrzeuge.

Viel Vertrauen in erneuerbare Energien aus dem Stromnetz

Mit 81 % der Befragten vertraut im Schnitt die breite Mehrheit der Befragten darauf, genügend erneuerbaren Strom aus dem Netz für E-Mobilität beziehen zu können. In Deutschland lag das Vertrauen mit 64 % am niedrigsten. IMI verweist auf Probleme mit verzögerten Netzanschlüssen und findet das Vertrauen der Befragten in das Netz zu groß.

Auch hier verschiebt sich die Antwort deutlich bei einer vermeintlich leichten Varianz der Frage. Wenn es darum geht, ob für künftige Batterie- oder Wasserstofffahrzeuge genügend Netzkapazität zur Verfügung stehen wird, zeigen sich 93 % der Befragten besorgt. Darunter war der Anteil der sehr besorgten ÖPNV-Unternehmen in Italien mit 52 % besonders hoch.

Wasserstoff-Anlagen: wohin bauen?

Bei den genannten Hindernissen für den Einsatz von Wasserstoff lagen Bebauungspläne mit 38 % vorne. Es folgten physische Platzknappheit (36 %) und erst an dritter Stelle die Finanzierung (35 %). Dicht darauf folgten Baugenehmigungen, fehlendes technisches Wissen und Bauleittechnik. Die Auswahl erfolgte aus vorgegebenen Optionen. Ein technisches Thema für die Befragten war die Lagerung von Wasserstoff. Laut der Umfrage war das sichere Lagern von Wasserstoff für 72 % Gegenstand größerer Bedenken.

 

IMI folgert aus den Daten, dass die dezentrale Erzeugung von Wasserstoff eine wachsende Rolle spielen wird. Laut Cornelia Neumann, Sales and Business Development Managerin für Hydrogen bei IMI, trifft das in Deutschland besonders auf den ÖPNV zu, da dieser im Vergleich zur energieintensiven Industrie seltener Zugang zum Wasserstoffkernnetz haben wird.

Die Erzeugung vor Ort durch dezentrale Elektrolyse könne helfen, die Lücke zwischen Produktion und Endverbrauchern zu schließen und gleichzeitig den Transportnetzen zu ermöglichen, Fahrzeuge ohne Tankstellen zu testen, so IMI. Fast drei Viertel der befragten ÖPNV-Unternehmen würden eine lokale Wasserstofferzeugung in Erwägung ziehen, wenn es dafür genügend finanzielle Unterstützung gäbe, zeigte die Studie. IMI ist ein britisches Unternehmen für Spezialmaschinenbau, das unter anderem Produkte für die dezentrale Wasserstofferzeugung anbietet.

H2-Produktion im Herzen von NRW

H2-Produktion im Herzen von NRW

Mit einer der größten Wasserstoffproduktionsstätten Europas und dem Abfüllcenter in Marl werden hier nicht nur lokale Unternehmen versorgt, sondern auch Chemiestandorte in ganz Nordrhein-Westfalen beliefert. Als H2EL-Wasserstoffkoordination halten wir alle Projekte der Region und deren Fortschritt im Blick und schaffen durch unser regelmäßiges Monitoring die notwendige Transparenz über den Markthochlauf. Unsere Wasserstoff-Roadmap 2024 ist gleichzeitig Fortschrittsbericht, Bestandsaufnahme und Ausblick auf die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in der Emscher-Lippe Region.

Die Emscher-Lippe Region, gelegen im Herzen des nördlichen Ruhrgebiets in Nordrhein-Westfalen, erstreckt sich südlich des Münsterlands und gehört zum Regierungsbezirk Münster. Dies resultiert in einer engen Verzahnung der Region mit den benachbarten Gebieten, sowohl in politischer als auch in technologischer Hinsicht. Die Region zeichnet sich darüber hinaus durch die Kombination aus Ballungszentren im südlicheren Teil der Region und die ländlicheren Teile im Norden aus und bildet vielerorts Schnittstellen zwischen traditioneller Industrie und moderner Innovation. Mit den kreisfreien Städten Bottrop und Gelsenkirchen sowie den zehn Städten des Kreises Recklinghausen bildet die Emscher-Lippe-Region den Lebensmittelpunkt für rund eine Million Menschen.

Unsere Region ist für ihre industrielle Tradition bekannt, die sich nun schon seit vielen Jahren im Strukturwandel befindet. Sie verfügt über 30.000 Unternehmen, zwei Hochschulen und 15 Berufskollegs, die ihre Angebote bereits gezielt auf die technologischen Entwicklungen im Wasserstoffbereich angepasst haben. Neben einem gut ausgebauten Straßen- bzw. Autobahnnetz verfügt die Region auch über ein dichtes Schienen- und Kanalnetz sowie zahlreiche Pipelines. Darüber hinaus schaffen wir mit dem benachbarten Münsterland und der angrenzenden Hellweg-Zone Synergien für unsere Zukunftsstrategie. Auch mit den Niederlanden pflegen wir eine enge Zusammenarbeit, wie zum Beispiel mit dem Verbundprojekt TECH.LAND.

H2ier erlebt man Zukunft

Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Region ist ihre besondere Eignung und Erfahrung für die Wasserstoffwirtschaft. Aufgrund der ausgeprägten Pipelineinfrastruktur und wesentlicher Großabnehmer von Wasserstoff kann dessen Hochlauf hier schneller und günstiger erfolgen als in anderen Teilen Europas. Neben den regionalen Abnehmern beziehen mehrere Chemiestandorte (z. B. in Köln oder Leverkusen) Wasserstoff aus unserer Region.

Wir decken aber nicht nur Erzeugung und Nutzung ab, sondern bilden auch die weiteren wichtigen Bereiche der Wertschöpfungskette umfassend ab. Dazu zählen eine Vielzahl von Unternehmen, die sich auf die Entwicklung und Herstellung von Komponenten spezialisiert haben, sowie andere Firmen, die als Anbieter von Technologien und innovativen Lösungen auftreten.



Abb. 2: Wasserstoff-Roadmap

In unserer neuen Roadmap bieten wir den aktuellen Überblick über entsprechende wasserstoffbezogene Projekte, die in unserer Region durchgeführt werden oder sich in der Planungs- beziehungsweise Ideenphase befinden. Über die H2-Roadmap hinaus betreiben wir das Monitoring der Projekte kontinuierlich weiter, um Transparenz und Orientierung für den Markthochlauf in der Region zu schaffen.

Breit aufgestellt

Das Projektportfolio stellt den Kern unserer Roadmap dar und gibt Aufschluss darüber, wie sich der H2-Bedarf von 2024 bis ins Jahr 2032 voraussichtlich entwickeln wird. Aufgeteilt sind die Projekte in die folgenden fünf Handlungsfelder: Quartiere, Qualifizierung, Forschung & Entwicklung, Industrie und Mobilität. Wenn wir die Gesamtzahl der Projekte betrachten, zeigt sich, dass wir in den letzten Jahren bedeutende Schritte gemacht haben. Aus ursprünglich 57 Projekten im Jahr 2021 sind in knapp drei Jahren über 100 geworden. Insbesondere bei den in Umsetzung befindlichen Projekten ist ein starker Zuwachs zu verzeichnen. Während es 2021 noch 17 waren, sind es inzwischen 53. Der Zuwachs ist dabei vor allem im Handlungsfeld Industrie auffällig.

Leuchtturmprojekte

Unser Projektportfolio enthält alle wasserstoffbezogenen Projekte in der Region, wobei einige von diesen hervorzuheben sind. Unter anderem der von Air Liquide geplante Elektrolyseur im Chemiepark Marl mit einer Leistung von 120 MW. Dieser wird grünen Wasserstoff erzeugen, der mittels Fernleitungen beziehungsweise über das Wasserstoffkernnetz zu den Kunden transportiert werden soll. Hierbei handelt es sich um ein IPCEI-Projekt, das im Juli 2024 den Förderbescheid erhalten hat.

In Gelsenkirchen finden sich unter anderem die folgenden beiden Leuchtturmprojekte:
Zum einen hat sich mit dem Stadthafen ein ganzes Industriegebiet auf den Weg gemacht, klimaneutral zu werden. Dazu haben sich die ansässigen Unternehmen zur Initiative „Klimahafen Gelsenkirchen“ zusammengeschlossen. Prozesswärme (rund 500.000 MWh) soll hier zukünftig nicht mehr durch Erdgas, sondern durch grünen Wasserstoff erzeugt werden. Bis der grüne Wasserstoff zur Verfügung steht, nutzen die Unternehmen ein wasserstoffreiches Energiegas.
Zum anderen stärkt die Westfälische Hochschule ihren Forschungsschwerpunkt im Bereich der Wasserstofftechnologien. Unter anderem entsteht mit dem „H2 Solution Lab“ ein Laborneubau zur Erarbeitung von Erkenntnissen im Hinblick auf Komponenten, Teilsysteme oder Gesamtsysteme für Forschung und Transfer.

In Haltern am See planen mehrere energieintensive Unternehmen, ihren CO2-Ausstoß durch den Einsatz von grünem Wasserstoff drastisch zu reduzieren. Es wird ein gemeinsamer jährlicher Wasserstoffbedarf von rund 200.000 MWh erwartet, der durch einen Elektrolyseur, gespeist aus lokalem Wind- und Solarstrom, gedeckt werden soll. Haltern am See könnte darüber hinaus künftig auch an das nahegelegene Wasserstoffkernnetz angeschlossen werden.

In Herten existiert seit 2009 das Anwenderzentrum H2Herten, ein kommunales Technologiezentrum für Wasserstoff, welches sich autark aus erneuerbaren Energien versorgt. Die vorhandenen Räumlichkeiten und das Technikum samt deutschlandweit erstem Energiekomplementärsystem können Unternehmen für Untersuchungen unterschiedlicher Art nutzen. Mit dem System können Komponenten unter realen Bedingungen getestet beziehungsweise spezielle Lastfälle simuliert werden. Das Komplementärsystem übernimmt dabei die intelligente Steuerung von Komponenten, Stromfluss und Wasserstofferzeugung. Im und um das Technologiezentrum siedeln sich seit Fertigstellung themenbezogene Firmen und Institutionen an, wie beispielsweise der Motorenhersteller Cummins Inc. oder der TÜV Nord.

In unmittelbarer Nähe des Anwenderzentrums befindet sich eine Anlage der AGR mbH. Diese erzeugt durch das Verbrennen von Abfällen Strom und Fernwärme zur Versorgung der anliegenden Wohngebiete. Im Jahr 2024 wurde hier ein 3-MW-PEM-Elektrolyseur eingeweiht, der Wasserstoff erzeugt und eine angeschlossene H2-Tankstelle versorgt. Der Strom kann dabei aus der Verbrennung von Abfall und eigenen regenerativen Energiequellen gewonnen werden (Solar und Wind). Die Tankstelle eignet sich durch die Druckstufen 700 bar und 350 bar zur Betankung von Pkw, Lkw und werkseigenen Müllfahrzeugen und ist derzeit die größte H2-Tankstelle europaweit.

Das Projekt E-BO(2)t ist ein Demonstrationsprojekt der Emschergenossenschaft und einiger Projektpartner in Bottrop. Es verfolgt das Ziel, die Machbarkeit einer großskaligen Produktion von grünem Methanol (e-Methanol) auf einer Kläranlage zu testen. Dazu wird biogenes CO2, das in den Faultürmen der Kläranlage Bottrop entsteht, vom Klärgas abgespalten und mit vor Ort produziertem grünem Wasserstoff zusammengebracht, um daraus das e-Methanol zu synthetisieren und es als alternativen Kraftstoff nutzen zu können. Als Nebenprodukt der Wasserstoffproduktion entsteht Reinsauerstoff, der zur ökologischen Verbesserung in ein nahegelegenes Gewässer geleitet wird.

Neben diesen Leuchtturmprojekten sind zahlreiche weitere Initiativen und Vorhaben in Planung. Viele dieser Vorhaben konzentrieren sich darauf, den Einsatz fossiler Energieträger, insbesondere Erdgas, in der Industrie signifikant zu reduzieren. Ein wesentlicher Ansatz dabei ist die Substitution von Erdgas durch grünen Wasserstoff als Energieträger für die Erzeugung von Prozesswärme, die in vielen industriellen Verfahren unerlässlich ist. Ziel dieser Umstellung ist selbstverständlich die Reduktion von Treibhausgasen und die damit verbundene Reduzierung des Erdgasbedarfs.

Ausblick

Auf Grundlage unseres Projektportfolios und der Mengenvorhersagen für das Jahr 2032 wird ein jährlicher Bedarf von etwa 6,5 TWh Wasserstoff in der Region erwartet, was etwa 200.000 Tonnen pro Jahr entspricht. Obwohl wir unsere selbst gesetzten Ausbauziele für Elektrolysekapazität für das Jahr 2032 voraussichtlich sogar übertreffen werden, können wir unseren wachsenden Bedarf nach Wasserstoff nicht durch Eigenproduktion decken und müssen daher künftig Wasserstoff in großem Maßstab importieren. Sollten alle bekannten Elektrolyseprojekte realisiert werden, läge die Eigenproduktionsmenge bei etwa 40 Prozent. Durch die Substituierung von Erdgas durch diesen grün produzierten Wasserstoff können wir über 1,3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente einsparen.

Autor: Marc Luckhaus, WiN Emscher-Lippe Gesellschaft zur Strukturverbesserung mbH, Herten,
E-Mail:
marc.luckhaus@emscher-lippe.de

Infener will ganze Quartiere autark mit Energie versorgen

Infener will ganze Quartiere autark mit Energie versorgen

Alles in einem Gerät vereint

Das Schweizer Start-up Infener will europaweit das Thema Wasserstoff forcieren. In dezentralen H2-Hubs soll Ökostrom, aber auch grüne Wärme gewonnen werden. Der Ecore One ist eine kompakte Containerlösung, die verschiedene Energietechnologien in einem Gerät vereint: Elektrolyseur, Brennstoffzelle und Batterie sowie Kompressor und eine Wärmepumpe mit einem eigenen Energiemanagementsystem. Im nächsten Jahr soll die H2-Produktion an einem Standort im Schwarzwald starten. Der Bedarf der regionalen Industrie ist jedoch heute schon weitaus größer.

„Die Komponenten – vom Elektrolyseur und der Brennstoffzelle über Batterien und Wärmepumpen bis hin zum H2-Druckgasspeicher – sind einzeln erhältlich“, so Tobias Gruber, Produktchef bei Infener. Die Innovation des jungen Unternehmens besteht darin, diese Technologien effizient zu einem Energiesystem zu kombinieren. Der Ecore One ist flexibel skalierbar und somit nicht nur auf Einfamilienhäuser beschränkt. Er kann auch größere Gebäude wie Hotels, Firmen oder ganze Quartiere autark und CO₂-neutral mit Wärme und Elektrizität versorgen – oder das System wird bei Bedarf netzdienlich betrieben. Der eingebaute PEM-Elektrolyseur deckt eine Leistung zwischen 10 und 30 kW ab.

Der Hauptsitz des Start-ups liegt in Stansstad südlich von Luzern. Die junge Firma ist ein Spin-off der W&P Engineering Group. „Wir hatten Wasserstoff schon 2018 als zentrales Zukunftsthema erkannt“, erklärt Gruber. Der Ecore One sei damals die erste Idee der beiden Gründer Joel Vogl und Felix Schmid gewesen. Das System soll eine unabhängige und wasserstoffbasierte Strom- und Wärmeversorgung von Gebäuden ermöglichen. „Wir haben aber schnell gemerkt, dass der Bedarf an Wasserstoff größer ist“, sagt Gruber.

Viele energieintensive Industrien wollten auf Wasserstoff umstellen, aber das Angebot sei aktuell einfach noch nicht da. „Darum haben wir damit begonnen, auch in die Umsetzung von Wasserstoff-Hubs und Großprojekten zu gehen“, beschreibt er den ganzheitlichen Ansatz. Ziel ist es, die Nachfrage energieintensiver Industrien und mittelständischer Unternehmen dezentral und unabhängig vom Kernnetz zu bedienen. Derzeit wächst das Start-up kontinuierlich und realisiert beispielsweise Projekte in Norwegen oder Portugal.

Investitionen von 45 Mio. Euro nötig

Der Hub im Schwarzwald ist bereits in einer sehr konkreten Planung: In Villingen-Schwenningen wird er auf einer Fläche von etwa 10.000 m² im Industriegebiet Salzgrube entstehen. Denn die Industrieregion wird voraussichtlich nicht vor dem Jahr 2040 an die überregionale H2-Pipeline angebunden sein. Deshalb soll die Elektrolyseleistung der Anlage bereits ab 2026 sukzessive von 5 MW auf 20 MW steigen – genug, um in der finalen Stufe jährlich rund 2.000 Tonnen grünen Wasserstoff zu produzieren. Die Investitionen werden sich voraussichtlich auf 45 Mio. Euro belaufen. Der Energiebedarf der regionalen Logistik-, Verkehrs- und Industriebranche ist heute schon größer.

Das Design des Hubs überzeugt durch eine natürliche Holzverkleidung. Es wurde vom Hamburger Architektur- und Design-Büro Hadi Teherani entworfen. Die Projektbetreuung vor Ort übernimmt das Architekturbüro Schleicher. Die steckerfertige Komplettlösung erhielt zudem im vergangenen Jahr den German Innovation Award. Die Jury überzeugte das an verschiedene Gebäude anpassbare Energiesystem, das schlüsselfertig in einer kompakten Lösung kommt – und dadurch „besonders komfortabel“ ist. Ein weiterer Vorteil bestehe darin, „dass für diese Lösung Versorgungsräume überflüssig werden, da die transportablen Container außerhalb vom Gebäude stehen”, so die Begründung.


Abb. 2: Wärmepumpe vorn und Solarwechselrichter an der Wand

Dabei geht es nicht nur um die effiziente Erzeugung von Strom und Wärme. So wird selbst die Abwärme aus dem Betrieb der Brennstoffzellen genutzt und mithilfe der Wärmepumpe weiter optimiert, so dass sie für Industrieprozesse oder in Wärmenetzen nutzbar ist. Der ebenfalls bei der Elektrolyse anfallende Sauerstoff wird vor allem für die Oxyfuel-Verbrennung eingesetzt. Auch das hilft, Industrieprozesse effektiver zu dekarbonisieren. Direkte Stromlieferverträge, sogenannte PPAs mit Betreibern von Wind- und Photovoltaikanlagen aus der Region, liefern den Ökostrom für den Betrieb des kleinen Ökokraftwerks Ecore. Auch potenzielle Abnehmer konnten schon gewonnen werden: Der Logistiker Noerpel plant den grünen Wasserstoff zur Betankung von H2-Truck- oder -Bus-Flotten einzusetzen, zudem unterstützt der Verkehrsverbund Move das Projekt.


Abb. 3: Tobias Gruber (links) mit den beiden Gründern Joel Vogl (CEO) und Felix Schmid

Neben dem 20-MW-Hub in Villingen-Schwenningen sind bereits weitere Projekte in Gengenbach und Neumünster in Planung. Diese befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Die Inbetriebnahme des 50-MW-Hubs in Neumünster ist beispielsweise für das Jahr 2026 oder 2027 geplant. Nur wenige Kilometer südlich von Offenburg in Baden-Württemberg liegt Gengenbach. Die Stadt will helfen, die Nutzung von grünem Wasserstoff zu etablieren, sagt der ehemalige Bürgermeister Thorsten Erny, der bis Ende 2024 im Amt war und das Vorhaben unterstützte.

2.000 Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr

Das Projekt auf dem Gewerbegebiet Kinzigpark I befindet sich aktuell in der Konzeptionsphase. Die Realisierung hängt noch von den Ergebnissen dieser Planungsphase sowie von einem unterschriebenen Abschluss des PPA für Ökostrom und den finalen Investitionsentscheidungen ab. Die kommunale Politik, die Stadtwerke und die regionale Wirtschaftsförderung unterstützen das Vorhaben bereits. Geplant ist auch hier die Produktion von jährlich rund 2.000 Tonnen H2.

Die Politik will den Aufbau der H2-Produktion mit ihren Zielen unterstützen: Die EU plant bis 2030 den Ausbau auf 40 GW Elektrolysekapazität, allein Deutschland strebt 10 GW an. Bis heute sind hierzulande jedoch nur 100 Megawatt installiert. Infener hat sich für die nächsten Jahre hehre Ziele gesetzt und will die europäische Wasserstoffwirtschaft aktiv mitgestalten. „Wir möchten in den nächsten Jahren mehr als 9 GW dazu beitragen“, sagt Tobias Gruber selbstbewusst.